Auf der anderen Seite der Wand
Fortsetzung der Geschichte aus 10/24 Von Chris Unger Wenn [...]
Fortsetzung der Geschichte aus 10/24 Von Chris Unger Wenn [...]
Ich hatte einen Nachnamen. Ein Leben. Eine Wohnung. Und einen Beruf: Kriminalkommissar bei der Mordkommission. Ziemlich erfolgreich. Alles lief gut. Dann lief es nicht mehr so gut. Und dann nur noch der Alkohol. Nun bin ich Berti, wohne mal hier und mal da und verkaufe Straßenzeitungen.
Auch wenn die körperlichen Bedürfnisse erfüllt sind, kann etwas fehlen: das Gefühl der Zugehörigkeit. Nach sieben Jahren on/off obdachlos, verlor ich durch einen Unfall fast ein Bein und bekam endlich ein Zimmer, das ich abschließen konnte, dazu regelmäßiges Essen – doch gut ging es mir trotzdem nicht ...
Ja, wo fang ich da an? Bekannt als dreckige abgefuckte Gegend mit nichts als Ausländern, welche obendrein noch kriminell sind. Aber im Hallschlag aufzuwachsen, heißt nicht automatisch, man muss das machen, was die anderen so machen ....
Heiligabend habe ich Jesus kennengelernt. Er kam direkt aus dem Schnapsladen und war, wie eigentlich fast immer, sturzbesoffen. Jedenfalls war er gut drauf. War ja schließlich sein Geburtstag heute. Und wenn er gut drauf ist, erzählt er Geschichten von damals. Damals, in Südafrika ...
Früher Feierabend in der Großstadt, wenige Tage vor Weihnachten. Die S-Bahn hält am Bahnsteig, Türen gehen auf, Menschen in Bürokleidung und Menschen mit grellbunten Shoppingtüten drängen hinein und in Richtung Sitzplätze. Auch ich steige ein, froh, dem nasskalten Nieselregen zu entkommen. Da mich das Gedränge nervt, und da sowieso keine Sitzplätze mehr frei sind, bleibe ich in der Nähe der Tür stehen ...
Die Kälte hat sich in tief in meine Knochen gefressen, langsam und fast unbemerkt hat sie von mir Besitz ergriffen. Meine Fingerspitzen sind bereits taub geworden, und auch sonst spüre ich keine Wärme in mir. Pustend versuche ich diesen Stumpfsinn mit meinem Atem wieder lebendiger werden zu lassen. Doch die Wärme meines Körpers erreicht nicht einmal meine Lippen. In feinen, grauen Wölkchen entweicht meine tote Luft und verliert sich in weniger als einem Lidschlag im kalten Grau dieses Januartages und ist schließlich ganz verschwunden. Wirkungslos. Kann man so einen toten Körper wiederbeleben?
Otto war ein einsamer Obdachloser, der sein Lager in einem regengeschützten Winkel nahe einem Mehrfamilienhaus bezogen hatte. Die Bewohner des Hauses wichen seinen Blicken aus und ignorierten ihn, so gut es ging. Manche beschimpften ihn, andere taten, als ob er Luft wäre. Doch Otto hatte keine Angst vor ihnen, im Gegenteil. Die Hausbewohner waren seine heimlichen Beobachtungsobjekte, und nach wenigen Wochen wusste er mehr über sie, als ihnen lieb sein konnte ...
Das Titelbild einer Zeitung – jeder sieht es, aber wie kommt es eigentlich auf das Cover? Nun, das „Wie“ ist schnell geklärt: die Redaktion findet es geeignet, fertig. Mein Titelbild für die September-Ausgabe von Trott-war hat allerdings eine besondere Geschichte …
Mein Handy klingelt. „Hallo“, sage ich. Die andere Seite: „Jobcenter U25, hier in meinen Unterlagen steht, dass Sie heute Ihr Abitur bestanden haben, Glückwunsch! Deshalb bitten wir Sie, sich noch diese Woche um einen Job zu kümmern.“