Die Krawalle in Stuttgart dauerten von 23.30 Uhr bis 4.30 Uhr morgens. Thomas Berger koordinierte den Polizeieinsatz in der Nacht vom 20. auf 21. Juni. Inzwischen untersuchen über 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ermittlungsgruppe „Eckensee“ die Ereignisse der Tatnacht (Foto: Sylvia Rizvi)

„Alle sollen angstfrei alle Ecken der Stadt besuchen können“

Stuttgart nach der „Krawall-Nacht“

32 verletzte Polizeibeamte, 40 angegriffene und elf geplünderte Läden – in der Nacht zum 21. Juli erlangt Stuttgart traurige Berühmtheit: Ausgelöst durch eine Drogenkontrolle am Eckensee im Stadtpark kommt es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen jungen Männern und der Polizei. Dann ziehen Gewalttäter plündernd und randalierend durch die Stadt. Am 25. Juni berichtet Polizei-Vizepräsident Thomas Berger dem Gemeinderat der Landeshauptstadt vom Ermittlungsstand. Sylvia Rizvi fragte ihn nach der Sitzung, ob Wohnungslose im Schlossgarten nun Angst haben müssen.

Müssen sich Obdachlose im Stadtpark fürchten?

Die Obdachlosen müssen sich nicht mehr fürchten als die dortigen Passantinnen und Passanten. Aber es ist momentan leider so, dass der Ort nicht besonders zum Verweilen einlädt. Dort halten sich Leute auf, die viel Alkohol konsumieren und die extrem gewaltbereit sind, das haben wir ja am letzten Samstag gesehen. Es wird nicht dauerhaft so bleiben, aber momentan sollte man dort einfach Vorsicht walten lassen.

Wir versprechen allen, und da gehören auch die Obdachlosen dazu, dass wir versuchen, die Situation baldmöglichst wieder in Griff zu kriegen. Alle sollen angstfrei alle Ecken der Stadt besuchen können.

Wer waren die Täter?

Wir sind noch dabei, das exakt zu ermitteln. Bisher können wir sagen, dass die Täter überwiegend männlich waren. Unter den 27 Tatverdächtigen, von denen neun in Haft sind, ist nur eine Frau. Die Täter waren sehr jung, nur einer war über 21. Fast alle waren bei Tatausübung betrunken. Und wir hatten einen gewissen Anteil von Migranten in der Täterschaft. Diese Leute treffen sich oft am Eckensee, konsumieren dort Alkohol und hören laute Musik. Zwölf Festgenommene waren Ausländer. Drei der zwölf Deutschen hatten einen Migrationshintergrund.

Werden Obdachlose künftig genau wie Täter aus dem Park verjagt, wird es also Aufenthaltsverbote geben?

Nein. Wir richten unsere Maßnahmen gegen Menschen, die Straftaten begehen und die Menschen gefährden. Wer sich friedlich verhält und gegen keine Verordnung verstößt, der braucht keine Angst haben.

Ist das Problem mit Platz- und Alkoholverboten in den Griff zu bekommen oder halten Sie auch eine sozialpsychologische Ursachenforschung für sinnvoll?

Wir müssen unterscheiden: Was kann uns kurzfristig helfen, was mittel- und langfristig? Ich sage aus 30-jähriger Berufserfahrung: Es ist ein langer Weg, eine Gesellschaft in Richtung Gewaltfreiheit zu entwickeln. Der Weg beginnt in der Familie. Sie ist die Keimzelle der Gesellschaft und sollte eine soziale Kontrolle ausüben: Junge Menschen sollten spüren, dass negatives Verhalten und Gewaltverhalten auch negative Folgen im sozialen Umfeld hat. Ich denke schon, dass wir hier als Gesellschaft gefordert sind. Aber das geht nicht von heute auf morgen.

Die anderen Maßnahmen, die Sie ansprechen, sind kurzfristiger Art wie etwa das Alkoholkonsumverbot. Zu diesen Maßnahmen gibt es Für und Wider. Positiv sind sie, weil wir durch sie vorübergehend eine kurzfristige Beruhigung in einem örtlich begrenzten Bereich bekommen. Das Grundproblem wird sich dadurch aber nicht lösen lassen. Es wird nur an einen anderen Ort verlagert. Dort wird weiter Alkohol konsumiert oder „vorgeglüht“.

Wir von Trott-war planten mit der Polizei schon vor den Krawallen einen Runden Tisch, um Probleme zwischen Obdachlosen und der Polizei zu besprechen. Können die Krawalle bei unserem Runden Tisch auch Thema sein?

Ja, wir sprechen darüber mit allen gesellschaftlichen Gruppen, wie ich vorher im Gemeinderat sagte. Wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Runden Tisches, die Trott-war einlädt, mit uns darüber reden möchten, sprechen wir gerne darüber.


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