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Äcker für die Zukunft

Gemeinschaft Sonnenwald setzt auf regenerative Agroforstsysteme

Eine mögliche Antwort auf die drängende Frage, wie wir unsere Ressourcen besser nutzen können, sind Agroforstsysteme (AFS). Dabei werden Bäume, Sträucher und Gehölze mit Ackerbau und Viehhaltung kombiniert und ermöglichen so eine Mehrfachnutzung von Agrarland. Zudem sind Agroforstsysteme klimafreundlich und bieten eine vielversprechende Strategie für Klimaanpassung und Klimaschutz.

Von Waltraud Günther

Fast 160 Jahre lang betrieb die BruderhausDiakonie in Schernbach (Gemeinde Seewald, Kreis Freudenstadt) eine große Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Im Jahr 2019 übernahm die Gemeinschaft Sonnenwald e. G. den großen Gebäudekomplex und die Grundstücke. Zu der in der Rechtsform einer Genossenschaft agierenden Gemeinschaft gehören derzeit 62 Erwachsene, 12 Kinder und mehrere Interessierte im Bewerberstatus. Alle eint der Wunsch nach gemeinschaftlichem Leben und Wohnen – und der Wille zum ökologischen, nachhaltigen Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Schöpfung.

Eine wichtige Säule der Gemeinschaft ist der „Hof Sonnenwald für regenerative Agrikultur“, dessen acht Mitarbeitende die 70 Hektar – rund 40 davon sind im Besitz der Genossenschaft – bewirtschaften, bei großem Arbeitsaufkommen unterstützt durch zahlreiche Ehrenamtliche. Im Hof Sonnenwald wird „enkeltauglich“ und den Biolandrichtlinien entsprechend gewirtschaftet; großer Wert wird darauf gelegt, Klima- und Naturschutz mit nachhaltiger Produktivität zu verbinden. Zum Hof gehören die Betriebszweige Gemüsegartenanbau, Hühner-Freilandhaltung, regenerativer Ackerbau, Rinderhaltung mit muttergebundener Kälberaufzucht, mobilem Weidemelkstand und holistischem Weidemanagement, Schweinehaltung, die Hof-Käserei und Hobby-Imkerei – und seit zwei Jahren die Agroforstsysteme.

Agroforstsysteme als neuer Betriebszweig

Unterstützt durch zahlreiche freiwillige Helfer aus der gesamten Bundesrepublik wurden in den vergangenen Monaten im Hof Sonnenwald große Flächen in ein regeneratives Agroforstsystem umgewandelt. Paul Hofmann, in der Gemeinschaft zuständig für Agroforst und Praxisforschung, ist überzeugt von dieser ökonomischen und ökologischen Art der Flächennutzung: „Agroforstsysteme kombinieren Bäume mit Ackerbau und Viehhaltung und ermöglichen so eine Doppel- oder gar Dreifachnutzung von Agrarland. Der Boden bleibt feuchter, den Pflanzen bleibt mehr Feuchtigkeit.“

Hofmann, der in Kassel ökologische Landwirtschaft studiert hat, erläutert die Wirkungsweise: Während des Wachstums der Bäume und Sträucher wird der Atmosphäre CO2 entzogen; über die Fotosynthese binden sie den Kohlenstoff in sich und im Boden. Die Humusschicht, die sie aufbauen, erhöht die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens, jährlich um mehrere 100.000 Liter je Hektar, was allein schon 20 bis 60 Prozent höhere Erträge zur Folge hat. Bedingt durch die vielfältigen positiven Wechselwirkungen zwischen Bäumen, Sträuchern und Ackerfrüchten sind die Erträge in Agroforstsystemen insgesamt um 30 bis 60 Prozent höher als bei Feldern, bei denen Bäume, Sträucher und Getreide getrennt voneinander angebaut werden.

Grundsätzlich gilt, dass AFS mehr Sonnenenergie in Wachstum überführen als traditionelle Anbaumethoden. Wie viel Kohlenstoff durch die neue Bewirtschaftungsweise genau auf den Feldern der Gemeinschaft gebunden wird, ist Gegenstand mehrerer Forschungsvorhaben: Sowohl die Uni Hohenheim als auch das Humusprojekt des Naturparks Nordschwarzwald untersuchen diese Fragestellung; während der Pflanzung wurden deshalb hunderte Bodenproben entnommen. Zudem wurde kürzlich eine Wetterstation installiert, die weitere wichtige Forschungsdaten liefert.

Baumarten, die dem Klimawandel trotzen

Umgesetzt wurde die Schernbacher Agroforstaktion nach den Richtlinien der Freiburger Landesforst-Versuchsanstalt. Die Agroforstsysteme im Hof Sonnenwald bestehen aus nahrhaften Wildobststräucherreihen, Obst- und Nussbäumen, Werthölzern sowie schnell wachsenden Pioniergehölzen. Gezielt wurden hierfür solche Baumarten ausgesucht, die aufgrund des Klimawandels auch zukünftig noch bei uns wachsen werden. Im Hof Sonnenwald wird zudem großer Wert auf Sortenvielfalt gelegt. Schließlich sollen durch das Agroforstsystem auch seltene, alte, regionale Obstsorten erhalten werden. Gepflanzt wurden deshalb etwa 45 Apfel- und 20 Birnensorten, unter anderem Alkmene, Brettacher, Kaiser-Wilhelm sowie die Birne „Gräfin von Paris“, viele Wertgehölze und Beerensträucher wie Sanddorn, Aronia, Hagebutten, Stachelbeeren. Die dicht gepflanzten Pioniergehölze (Pappel, Weide, Birke und Erle) sollen durch häufigen Rückschnitt das System düngen. Weitere wertvolle Nebeneffekte: Durch die Mehrfachnutzung des Bodens entsteht ein vielseitiger Lebensraum für Vögel und Insekten. Zudem wird durch die hohe Biodiversität die natürliche Widerstandskraft der Agroforstsysteme gestärkt und gleichzeitig der Bedarf an Pflanzenschutzmitteln gesenkt.

Geplant ist, dass die in den Agroforstflächen geernteten Früchte nicht nur als Tafelobst genossen, sondern auch zu Marmeladen, Säften, Ciderwein und Edelbränden weiterverarbeitet und regional vermarktet werden. Die bisher in den Schernbacher Agroforstsystemen gepflanzten 30.000 Gehölze lassen mittelfristig auf eine reiche Ernte hoffen.

Neu: Ernte teilen in Solidarischer Landwirtschaft

Kurzfristiger dagegen wurde in der Genossenschaft ein weiterer Betriebszweig verwirklicht: Im September 2022 startet in Schernbach die Aktion Solidarische Landwirtschaft SoLaWi. Bei diesem regionalen Partnerschaftsmodell zwischen Verbrauchern und Erzeugern beteiligen sich die SoLaWi-Mitglieder an den Kosten der landwirtschaftlichen Produktion und erhalten im Gegenzug einen Anteil an den produzierten Lebensmitteln.