Trott-war sprach schon im Juli 2018 mit Claus Vogt als Vorsitzendem des Fan-Clubs FC PlayFair!. Dort setzen sich Liebhaber des Rasensports für mehr Mitsprache ein.

„Die Fans sind als Zuschauer eine wichtige Komponente im Spiel“

Herrschende Fußballkultur überdenken

Der internationale Profifußball machte in den letzten Jahren durch Korruption, Kommerzialisierung und den überheblichen Umgang mit Fan-Interessen von sich reden. Vor allem deshalb gründete sich 2017 Jahr der FC PlayFair!. Er möchte die Interessen der Fans und die Demokratisierung des Fußballs durchsetzen. Nico Nissen sprach mit Fanclub-Vorstand Claus Vogt.

Wie sind Sie darauf gekommen, den Verein zu gründen?

Das war, als unser VfB Stuttgart im Abstiegsjahr an einem Montagabend das erste Montagsspiel der Bundesliga hatte, dass dummerweise auch noch in Bremen stattfand. Ich unterstütze den VfB immer gerne, auch bei Auswärtsspielen, aber als Familienvater und Berufstätiger ist es schwer, am Montagabend ins entfernte Bremen zu kommen. Ich habe mich geärgert, dass ich nicht die Möglichkeit hatte, meinen Verein zu unterstützen. Am Wochenende danach habe ich mit Freunden gesprochen, die sagten, dass sie das auch fürchterlich finden. Ich habe mich gefragt, warum wir als Fans uns das alles gefallen lassen. Das weckte in mir den sportlichen Ehrgeiz, etwas dagegen zu tun – und daraus entstand dann der FC PlayFair!. Begonnen hat es mit ein paar guten Freunden, und wir sind jetzt eine relativ große Organisation. Wir sind zwar nicht viele Mitglieder – ungefähr 50 –, haben aber relativ viele Unterstützer.

Wie zufrieden sind Sie mit der öffentlichen Resonanz auf Ihre Anliegen?

Die haben wir anfangs unterschätzt. Sie ist gigantisch. Wenn man sich auf unserer Homepage die Unterseite „Wir in den Medien“ anschaut, sieht man Beiträge von Béla Réthy für ZDFzoom, wir waren im NDR-Sportclub eingeladen und hatten Besuch vom tschechischen Fernsehen für eine Dokumentation über den „Fußball im Land des amtierenden Weltmeisters“. Wir merken, dass das ein Thema ist, das weit über Deutschland hinausgeht. Wir haben Unterstützung und Kontakte bekommen aus Italien, Frankreich und England. Der Zuspruch ist wirklich enorm. Und unsere Unterstützer und Mitglieder aus Deutschland verteilen sich über das gesamte Land, auch wegen unseres Antrages an die UNESCO, den Fußball und die Fankultur, die er hervorgebracht hat, als immaterielles Kulturerbe zu schützen. Und auch auf unsere prominenten Unterstützer wie Andreas Rettig, Reiner Calmund, Cem Özdemir und Roland Bischof von der Initiative „Deutscher Fußball Botschafter“ sind wir sehr stolz. Wir setzen uns für den Fußball ein, wie wir ihn noch kennen und wollen ihn für uns und die nachfolgenden Generationen als Kulturgut erhalten, auch für jene, die sich jetzt noch nicht dafür einsetzen können. Wenn man sieht, dass etwas schiefläuft, und nichts dazu beiträgt, dass es besser wird, ist man mit Schuld daran.

Fußball verknappen

Weshalb müssen Spiele unbedingt am Wochenende stattfinden?

Zu den Anstoßzeiten haben wir gemeinsam mit der Hochschule Nürtingen, dem Deutschen Institut für Sportmarketing und dem Kicker-Sportmagazin Anfang letzten Jahres eine Umfrage gemacht. Und da sagten fast 86 Prozent der Fans, es gehe im Profifußball nur noch darum, noch schneller noch mehr Geld zu machen. Da muss der Fußball aufpassen, denn die Fans sind als Zuschauer eine wichtige Komponente im Spiel – die Spieler spielen auch für sie, nicht nur für sich selbst. „Die Fans sind als Zuschauer eine wichtige Komponente im Spiel“ Bei uns alles aus einer Hand Wir als Verein kritisieren Montagsspiele, weil es nur noch darum geht, die Übertragungszeiten im TV und somit die Werbezeiten auszudehnen, was es Fans schwer macht, ihren Verein zu unterstützen. Auch für diese Frage haben wir mit unseren Partnern eine Umfrage durchgeführt, an der 186.000 Leute teilgenommen haben. Darin haben wir die gängigen Spieltage von Freitag bis Montag abgefragt. Dabei kam heraus, dass der Lieblingsspieltag der Samstag ist und der Montag bestimmt die unlukrativste Anstoßzeit. Das würden wir ganz gerne verdeutlichen und versuchen, zumindest die Diskussion anzustoßen. Aber uns geht es auch nicht nur um den Montag als Spieltag, sondern wir stellen auch den Sonntag zur Diskussion, weil der für andere Sportarten und den Amateurfußball fehlt, die vom Profifußball sozusagen kannibalisiert werden. Der Fußballfan steht jeden Sonntag vor der Frage, selbst Sport zu treiben und vielleicht in seinem Amateurverein zu spielen oder sich ein Spiel nur anzusehen. Und auch viele andere Sportarten werden durch die Überpräsenz in den Medien an den Rand gedrängt. Fußball ist klar Weltsportart Nummer eins, aber das muss man nicht weiter ausdehnen, sondern zugunsten anderer Sportarten mal verknappen. Die Stadien sind ohnehin voll, auch am Samstagnachmittag.

Gesucht: Kompromiss zwischen Kultur und Kommerz

Können Sie denn die Haltung der Sportfunktionäre und Manager nachvollziehen, ihren Profiverein möglichst gewinnbringend zu führen?

Natürlich, das ist legitim. FC PlayFair! ist auch nicht grundsätzlich gegen Kommerz. Zum Profifußball gehört natürlich Werbung und Sponsoring dazu. Auch in unserer Umfrage haben viele Fans gesagt, dass ihnen klar ist, dass Kommerzialisierung und Vermarktung zum Profifußball dazugehören. Allerdings wird dabei die Emotionalität der Fans völlig vergessen, die die Fußballkultur mittragen. Was wir auch schade finden ist, dass man nicht darüber diskutieren kann, dieses Geld so zu verteilen, dass es wieder einen sportlichen Wettbewerb gibt oder was man über den Profifußball hinaus damit machen könnte, beispielsweise im sozialen Bereich. Da haben der Fußball und die Fans ihre soziale Macht noch gar nicht erkannt.

Fürchten Sie im Umgang mit den Sportfunktionären nicht, dass sie sich einsichtsvoller geben als sie sind und Sie letztlich über den Tisch ziehen?

Das wollen sie sogar ganz sicher. Das ist Teil des Spiels. Wenn man da sieht, dass eine Welle kommt, versucht man, ihr entgegenzukommen und hofft, dass sie ausläuft. So nach dem Motto „In einem halben Jahr ist das eh kein Thema mehr!“ Aber ich glaube, dass die Welle sich gerade erst auftürmt und nicht wegen eines scheinbaren Entgegenkommens abebbt, sondern eher das Gegenteil auslösen wird, weil eine Erwartungshaltung erzeugt wird und die Fans nicht nur ein halbes Jahr Fan sind, sondern „am Ball bleiben“.

Fanbasis braucht Mitsprache

Würden Sie einen Fortschritt darin sehen, dass die Vereine eine demokratischere Struktur erhalten und, wie bei eingetragenen Vereinen, eine Mitgliederversammlung einberufen müssen?

Wir haben bereits mit der Geschäftsführung der Deutschen Fußball Liga darüber gesprochen und vorgeschlagen, in jedem Profiverein einen Fanausschuss oder einen Fanvertreter im Aufsichtsrat einzusetzen. Sie fanden die Idee nicht schlecht und denken darüber nach, ob sie das mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Vereine erreichen können. Ich glaube, dass das schwer wird. Wir würden uns eine entsprechende Auflage der DFL wünschen. Das hält die wiederum für rechtlich schwer möglich, weil einige Gesellschaftsformen der Vereine solche Reformen nicht zulassen würden. Wir haben daraufhin eine Bachelorarbeit zur Frage unterstützt, wie solche Fanvertreter rechtlich sauber in den jeweiligen Gesellschaftsformen installiert werden können.


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