Jeder zehnte Pkw auf bundesdeutschen Straßen ist ein Dienstwagen. Der Staat fördert damit im Grunde Staus, Abgase, Erkrankungen und Klimawandel (Foto: Ri Butov, Pixabay)

Dieser kommentierende Bericht erschien erstmals in der Mai-Ausgabe 2020 von Trott-war.

Klimaschutzziele? Geschenkt!

Klimaschädliche Subventionen

Vergangenen November beschloss die Große Koalition das Klimapaket. Abgesehen von der Bepreisung des CO2-Ausstoßes bot es allerdings nichts Neues. Vorrangig wurde an steuerlichen Stellschrauben gedreht, zum Beispiel mit einer höheren Luftverkehrsabgabe. Steuergeschenke, die dem Klimaschutz und dem Erreichen der Klimaschutzziele entgegenstehen, blieben dagegen unangetastet.

Von Nico Nissen

Dabei ist ein rigoroses Abholzen teilweise überholter Fördermaßnahmen nicht nur im Hinblick auf den Klimaschutz vielversprechend. Die Bundesregierung verzichtet auch auf sehr viel Geld, das sie zum Beispiel für Investitionen in die Energiewende oder das Beseitigen der Schäden des Klimawandels verwenden könnte. Dr. Andreas Burger vom Umweltbundesamt spricht von 57 Milliarden Euro pro Jahr für klimaschädliche Subventionen. Er ist einer der Verfasser der bis zum Berichtsjahr 2016 alle zwei Jahre aktualisierten Studie „Umweltschädliche Subventionen in Deutschland“, die aber mittlerweile eingestellt ist. Ebenfalls für diesen Artikel herangezogen wurde die im Auftrag von Greenpeace 2017 fertiggestellte Studie „Subventionen für fossile Energien in Deutschland“.

Privilegien für die Industrie

Die Stromsteuer wurde 1999 im Rahmen der „ökologischen Steuerreform“ der rot-grünen Bundesregierung (verkürzt auch „Ökosteuer“ genannt) für den Verbrauch von Strom aus nicht-regenerativen Quellen eingeführt. Das vorgebliche Ziel, damit das Stromsparen und den Wechsel zu regenerativen Energieformen lukrativ zu machen, wurde konterkariert durch viele Ausnahmen und Rückzahlungen.

Beispielsweise zahlte der Fiskus im Jahr 2018 laut dem Subventionsbericht der Bundesregierung 210 Millionen Euro „Strompreiskompensation“ an energieintensive Industrieunternehmen, die eigentlich der Energiesteuer unterliegen. Dabei ist die Industrie mit über 220 Terawattstunden der bei weitem größte Stromverbraucher und beansprucht damit ungefähr 100 Terawattstunden mehr als alle privaten Haushalte zusammen. Dies soll sie vor der ausländischen Konkurrenz schützen, gilt laut einer Studie aber offenbar auch für viele Unternehmen, die gar nicht im internationalen Wettbewerb stehen oder ihn nicht fürchten müssten. Und dass so auch Arbeitsplätze geschützt würden, ist nur zum Teil zutreffend. Denn diese Privilegien verhindern Investitionen in Energieeffizienz und Energiewende, durch die andere Arbeitsplätze hätten entstehen oder erhalten werden können. Allein die Windenergiebranche hat seit 2017 mehr als 40.000 Arbeitsplätze abgebaut.

Privilegien für Schiffs- und Luftverkehr

Der gewerbliche Schiffs- und der gewerbliche Luftverkehr unterliegen überhaupt nicht der Energie- und der Stromsteuer. Dabei sind gerade sie besonders klima- und umweltschädlich, und Flugzeuge und Schiffe müssen auch in Deutschland zwangsläufig vor dem Start oder dem Ablegen betankt werden. Um für internationale Flüge eine Abgabe zu erheben, müssten sich die EU-Mitgliedsländer einig sein, was unwahrscheinlich ist. Doch für Inlandsflüge wäre eine Energiesteuer ohne Weiteres möglich und würde die Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil des klimafreundlicheren Bahnverkehrs beseitigen. Doch das Klimapaket sieht lediglich eine Erhöhung der Luftverkehrsabgabe vor, die vom Fluggast zu tragen ist. Der Bundesbürger zahlt also im Grunde doppelt, einmal durch den Steuerverzicht und zusätzlich mit jedem Ticket.

Allein 2012 entgingen dem Bund durch den Verzicht auf eine Energiesteuer auf Kerosin laut Umweltbundesamt mehr als sieben Milliarden Euro. Zudem verzichtet der Fiskus bei internationalen Flügen auf die Mehrwertsteuer – sogar vollständig. Dies schlägt mit 4,7 Milliarden Euro Verlust zu Buche.

Dieselprivileg

Diesel unterliegt (mit 47,04 Cent je Liter) einer geringeren Energiesteuer als Benzin (mit 65,45 Cent je Liter). Forst- und landwirtschaftliche Betriebe erhalten sogar einen zusätzlichen Nachlass und zahlen nur 25,56 Cent je Liter. Bei der Einführung vor 30 Jahren erhoffte man sich vor allem eine geringere Umweltbelastung – Diesel galten als sauberer. Doch das Argument ist mittlerweile hinfällig. Laut neueren Studien stoßen moderne Dieselfahrzeuge ungefähr gleich viel Kohlendioxid aus wie Benziner, ältere dafür mehr Stickstoffoxid, weshalb vor allem sie von Fahrverboten betroffen sind. Dem Fiskus gingen durch die ungleiche Besteuerung von Diesel und Benzin allein 2015 acht Milliarden Euro Energiesteuer verloren. Das ergab eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Der Nachlass für Land- und Forstwirtschaft wurde vom Umweltbundesamt für 2012 auf 430 Millionen Euro beziffert, das sich dabei auf das Bundesministerium der Finanzen beruft.

Dienstwagenprivileg

Für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer ist es finanziell attraktiv, einen Teil des Gehalts in Form eines Dienstwagens „auszuzahlen“. Laut Kraftfahrt-Bundesamt wurden im vergangenen Jahr mehr als 3,6 Millionen Pkw neu zugelassen, ungefähr zwei Drittel davon von gewerblichen Haltern und ein Großteil davon Dienstwagen. Sie machen ungefähr zehn Prozent des gesamten Pkw-Bestandes aus. Und immer noch überwiegen die Verbrenner, obwohl 2019 der Steuersatz für Dienstwagen mit Elektroantrieb halbiert wurde. Da der steuerliche Vorteil bei teureren Fahrzeugen größer ist, werden zudem eher Wagen der Oberklasse erworben, die mehr verbrauchen und mehr Abgase ausstoßen. Darüber hinaus verleiten viele Unternehmen ihre Mitarbeiter dazu, den Dienstwagen möglichst oft privat zu nutzen, indem sie auch die Kosten für den Kraftstoff tragen.

Die Steuervorteile für Dienstwagen werden vom Umweltbundesamt auf über drei und vom Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft sogar auf über vier Milliarden Euro geschätzt.

Fehlende Konsequenz und Steuergerechtigkeit

Die Politik bietet also riesige Steuergeschenke, die ihren offiziellen Zielen im Hinblick auf Klimawandel, Klimaziele, Feinstaub, Schadstoffausstoß, Energiewende, Staus und Verkehrspolitik entgegenstehen. Von diesen zweifelsfrei schädlichen Steuererleichterungen taucht ein Großteil überhaupt nicht im Subventionsbericht der Bundesregierung auf, weil sie nicht als Subventionen definiert werden.

Aber abgesehen davon, dass man auf die Lenkungswirkung verzichtet, die das Abschaffen oder wenigstens Senken klimaschädlicher Fördermaßnahmen hätte, geht es auch um Gerechtigkeit: Mit welchem Recht werden ganze Branchen geschont, während jeder steuerzahlende Bundesbürger für die Bekämpfung des Klimawandels und Beseitigung von Klimaschäden zur Kasse gebeten wird?


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