Stuttgarter OB-Kandidat Hannes Rockenbauch vor elf Jahren: „Ziviler Ungehorsam wurde zum Lebensgefühl“

Heute gehört Hannes Rockenbauch zu den verbliebenen aussichtsreichen Kandidaten der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart. Durch Zufall entdeckten wir, dass unsere Redakteurin Andrea Rothfuß ihn bereits in unserer Juni-Ausgabe 2009 im Rahmen des damaligen Themenschwerpunktes „Junge Gesichter“ porträtierte, als den zu jener Zeit jüngsten Stuttgarter Stadtrat. Der zivile Ungehorsam scheint nach wie vor zu seinem Lebensgefühl zu gehören: Vor wenigen Wochen wurde er wegen seiner Beteiligung an einer Hausbesetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Ein Rückblick:

Hannes Rockenbauch ist der jüngste Stadtrat in Stuttgart. Seit fünf Jahren sitzt der 28-jährige für das Personenbündnis Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) im Gemeinderat. Und er hat noch einiges vor.

Zimmer 25a im Stuttgarter Rathaus war mal so etwas wie eine Abstellkammer. Bis Hannes Rockenbauch im Jahr 2004 in den Stuttgarter Gemeinderat einzog. Damals hat er das Zimmer als Büro für das Personenbündnis SÖS bekommen. Das Arbeitszimmer des Stadtrats ist seitdem mit Arbeitsmaterial belagert. Er selbst sagt, es sehe chaotisch aus. An der Wand hängt ein großes Plakat, auf dem in grünen Farben das Logo und der Schriftzug SÖS zu lesen sind. Rechts und links vom Schreibtisch sind Regale mit unzähligen Ordnern, Unterlagen und einer roten Verdi-Baseballmütze. Architekturmodelle stehen auf einem Tisch, auf dem grauen Sofa liegt ein extrastarker Zeichenblock.

„Aufstehen, wenn einem etwas nicht passt.“

Hannes Rockenbauch hat sich hier ausgebreitet und im Rathaus einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dafür sorgt auch eine Regenbogenflagge mit dem Aufdruck „Pace“ (italienisch für „Frieden“), die der Stadtrat an sein Bürofenster geheftet hat.

28 Jahre ist der Architekturstudent alt, seit vier Jahren hat er ein Einzelmandat im Gemeinderat. Politisch engagiert ist er seit seiner Kindheit. „Aufstehen, wenn einem etwas nicht passt. Das habe ich von meinen Eltern mitbekommen“, berichtet er. Als er etwa zehn Jahre alt war, gab es in seinem Viertel im Stuttgarter Osten so etwas wie eine Bürgerinitiative, die sich für eine kinderfreundliche Stadt einsetzte. „Was die Bedürfnisse von uns Kindern anging, waren wir sozusagen die Experten. Und die Erwachsenen hörten uns geduldig zu.“

„Ziviler Ungehorsam wurde zum Lebensgefühl“

Mit Schulfreunden der Umwelt-AG positionierte er sich mit Gasmasken vor der Schule und zählte vorbeifahrende Autos. Außerdem war er in der Schülermitverantwortung (SMV) des Landes und als Schülersprecher tätig. „Der zivile Ungehorsam wurde zu einem Lebensgefühl. Wir konnten nicht mehr ruhig sitzenbleiben, wenn uns etwas unrecht erschien. Aufzustehen dagegen wurde zu einer inneren Selbstverständlichkeit.“

Prägend war vor allem das Jahr 1993. Aus ganz Deutschland waren Kinder zum „Natur-Weltkindergipfel“ auf den Killesberg angereist. Eine Spielwiese für Rockenbauch: „Unter Gleichaltrigen war es einfach, Politik zu machen. Wir waren alle sehr euphorisch. Drei Tage lang arbeiteten wir an unseren Forderungen und am Ende kam der Umweltminister und unterschrieb alles.“ Die Forderungen der jungen Teilnehmer wurden nie in die Tat umgesetzt. Rockenbauch und die anderen Jugendlichen lernten, dass zwischen dem, was sie für machbar hielten und dem, was die Erwachsenen machten, Welten lagen.

„Das ist nicht mein Beruf, sondern mein Leben.“

Heute macht es ihm als Einzelstadtrat Spaß, „auch wenn ich von Entscheidungen ausgenommen bin und meine Anträge immer abgelehnt werden“. Und weiter: „Politik wäre einfacher, wenn die Bürger bei wichtigen Entscheidungen als Kontrollinstanz da wären. Man sollte ihnen zuhören und sie zu Wort kommen lassen.“ Wenn man die Bürger nicht an der Politik beteiligen wolle, dann brauche man sich nicht wundern, wenn die Wahlbeteiligung so niedrig sei.

Rockenbauch sieht seine Zukunft auf jeden Fall in der Politik. „Meine langfristige Perspektive sehe ich in Stuttgart. Das ist meine Heimat, die ich mitgestalte. Ich will hier Verantwortung übernehmen. Ich denke permanent über Architektur und Politik nach. Das ist nicht mein Beruf, sondern mein Leben.“ Er sieht es als seine Aufgabe an, neue Spielräume auszuloten, Alternativen zu entwickeln und Politik zu machen, die so bisher noch nicht gestaltet wurde.


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