Fotos: Daniel Knaus

Warum auf eine Friedensdemo? „Hier tanke ich Mut!“

Der Angriff Russlands auf die Ukraine bewegt die Menschen. Die Stuttgarter Friedensdemo am vergangenen Sonntag wurde nach Angaben der Veranstalter von über 35.000 Menschen besucht. Was treibt sie an? Daniel Knaus hat sich mit einigen von ihnen unterhalten.

„Warum ich hier bin? Einfach: Weil ich es darf! Weil das Demonstrationsrecht ein hohes Gut ist. In Russland werden Kriegsgegner verhaftet, deshalb müssen wir hier für den Frieden sprechen.“ Dem Lehrer im Ruhestand liegt seine Ernsthaftigkeit in der Stimme; jedes Wort setzt er nachdrücklich. Schon früh steht er vor der Bühne, in einer starken Spätwintersonne und umwogt von der warmen Stimme der Sängerin Thabilé. „Es ist hier fast wie auf einem Konzert, geht aber letztlich um Solidarität und Pflicht.“ Dann lächelt er müde. „Und natürlich bin ich auch hier, weil nach so vielen schlechten Nachrichten eine positive Veranstaltung gesund ist.“

Wer sich gegen Krieg ohnmächtig fühlt, findet Kraft in Gemeinschaft

„Ich schlafe schlecht, weil ich mich um Europa sorge. Hier tanke ich Mut“, sagt eine Studentin etwas abseits der Bühne. Sie bewege sich ungerne in Menschenmassen, von der Veranstaltung erhoffe sie sich aber etwas Erleichterung: „Mal wieder Zuversicht haben!“ Ähnlich motiviert klingt eine ältere Dame, ganz eingehüllt in eine Friedensfahne: „Gerade macht mir die Welt Angst. Hier mit anderen Menschen für den Frieden einzutreten, das tut mir gut.“ Sie war schon öfter auf Demonstrationen und weiß aus Erfahrung, sich hier auch für ihre eigene Stabilität einzusetzen – „weil ich hier mit anderen über meine Gefühle sprechen kann“. Ihr Begleiter ergänzt: „Es ist ein schöner Tag und auch Demokratie und Freiheit sind schön.“

Der Wunsch nach Frieden und die Suche nach Gemeinschaft vereinen die Altersgruppen. Viele hier sind jung und erleben den Krieg wie auch die Demonstration gegen diesen gleichermaßen als neu. Ein Schüler spricht für seinen Freundeskreis: „Ich war noch nie auf einer Demo, aber es gab in meinem Leben auch noch nie einen solchen Krieg. Jetzt hoffe ich, die Teilnahme weltweit bringt etwas für den Frieden.“ Um Hoffnung geht es hier öfter, so auch einem Krankenpfleger an seinem freien Tag: „Vielleicht sehen und hören die Mächtigen von der Demo nichts, aber ein Zeichen setzen müssen wir. Was wäre die Welt ohne Zeichen für Frieden?“

„Krieg im 21. Jahrhundert – ich könnte kotzen.“

Für eine bessere Welt demonstrieren wir nach der Erkenntnis von Ungerechtigkeit. „Die Kriegsgräuel machen es nötig, seine Stimme zu erheben“, sagt ein Ingenieur.
Wir demonstrieren für Verbesserungen, so eine Werberin: „Die freie Rede ist eine Errungenschaft, also müssen wir sie ständig nutzen.“ Eine Friedensdemo ist auch Arbeit für die kommende Gesellschaft, weiß eine Mutter: „Wir sind für unsere Kinder hier, für deren Zukunft. Die sollen in einer besseren Welt aufwachsen.“ Letztlich tut der gemeinschaftliche Friedenseinsatz aber auch einfach gut, wie ein Schüler ausdrückt: „Krieg im 21. Jahrhundert – ich könnte kotzen. Was jetzt? Falls wir alle in die Luft gehen, will ich einmal demonstriert haben.“