Teil III unseres Interviews mit Maya & Carina von catcallsofstuttgart.

 

Daniel: Was ist wichtiger – Straße oder Internet?

Carina: Auf der Straße haben wir die Begegnungen. Aber unsere Arbeit ist grundsätzlich hybrid, weil wir in den Sozialen Medien Inhalte teilen können. Und wir machen da auch auf andere Probleme aufmerksam. Wir setzen uns auch für Trans*personen ein; uns ist wichtig, intersektionell unterwegs zu sein.

Daniel: Manche Feministinnen wollen sich nicht mit Trans*personen solidarisieren.

Maya: Deswegen schauen wir bei Kooperationen, was von der anderen Seite überhaupt vertreten wird. Intersektionalität ist uns sehr wichtig. Sexuelle Gewalt trifft uns alle, auch Transfrauen. Diese erleben nochmal eine besondere Form von Gewalt – sie dürfen also nicht ausgeschlossen werden.  Sexuelle Gewalt kann alle treffen und von allen ausgehen.

Carina: Wir sagen statt Weltfrauentag auch: feministischer Kampftag. Wir lassen dieses „Frau“ ganz raus. Weil es eben nicht nur um „Frau“ geht, was auch immer „Frau“ sein mag, sondern alle Geschlechter angesprochen werden sollen, natürlich auch trans* und nicht-binäre Personen.

Daniel: Wie lassen sich Eure Zuschriften schematisieren?

Maya: Unsere Zuschriften betreffen ganz unterschiedliche Räume und ganz unterschiedliche Grade von Gewalt: von verbaler bis zu körperlicher.  Übergriffe verteilen sich auf die Straße, auf öffentliche Verkehrsmittel, auf Clubs, teilweise auf die Familie, auf Schulen, auf Universitäten und auf Arbeitsplätze.

Carina: Wir hören von Betroffenen aus verschiedenen Altersstufen. Zuletzt haben wir einen Catcall angekreidet, in dem die betroffene Person erst neun Jahre alt war. Ganz sicher ist sexuelle Gewalt ein gesamtgesellschaftliches Problem und deshalb politisch.

Maya: Uns schreiben natürlich eher junge Menschen an, weil jüngere Menschen eher auf Social Media aktiv sind. Ältere Menschen schicken uns aber auch Einsendungen, die Erlebnisse vor Jahren darstellen: „Ich habe Eure Seite gefunden und nun ist wieder hochgekommen, was mir passiert ist.“ Natürlich gibt es im Bereich der sexuellen Gewalt auch eine hohe Dunkelziffer, weil sich viele Menschen nicht trauen, darüber zu reden, was ihnen passiert. Ich weiß auch nicht, was alles hinter verschlossenen Türen im familiären Raum geschieht. Nicht alle Menschen erstatten Anzeige oder werden laut.

Daniel: Soziale Medien werden auch kritisiert.

Carina: Bei der Nutzung von Instagram hilft sehr, zu schauen, wem man folgt und was die Leute posten. Man muss da sensibel sein. Instagram ist nämlich zweiseitig: Es hat Schattenseiten, etwa hinsichtlich der Verbreitung von sexualisierten Kommentaren. Gleichzeitig gibt es hier aber auch so tolle und inspirierende Seiten. Und während Corona können auch wir die Menschen durch das Internet besser erreichen. Übrigens haben wir unsere Netiquette. Auf Instagram schreiben wir unter jeden Post, welchen Umgangston wir erwarten und machen auch transparent, was wir löschen werden. Wie auf der Straße ist auch bei gewalttätiger Sprache im Internet immer wichtig, Grenzen aufzuzeigen und auch einmal zu sagen: Wir möchten die Diskussion an dieser Stelle nicht weiterführen.

Daniel: Was ist Euch noch wichtig?

Maya: Ich hoffe, dass alle Betroffene den Mut finden, für sich einzutreten und über ihre Probleme zu reden. Wir sind mit unseren Problemen nie alleine.

Carina: Es gibt viele Menschen da draußen, die gleiche und ähnliche Erfahrungen machen. Und es gibt viele Anlaufstellen für Hilfe. Diese anzunehmen, erfordert natürlich viel Mut und Kraft. Ich hoffe, dass viele Betroffene es schaffen, sich um sich selbst zu kümmern.