Luk, 17, will nach der Schule in den sozialen Bereich – oder Journalist werden

Foto: Luk Bornhak

„Seid Verbündete von Menschen mit Behinderung!“

Inklusions-Aktivist Luk Bornhak über seine Motivation

Was macht ein „Inkluencer“? Luk engagiert sich als Influencer für mehr Inklusion. Er nutzt die Chancen der Sozialen Medien für den politischen Fortschritt. Sein Ziel: Möglichst viele Menschen erreichen und für Diskriminierung sensibilisieren – damit eine Behinderung nicht ausschließt, sondern selbstbewusst gezeigt werden kann.

Von Daniel Knaus

Inklusion klingt erstmal abstrakt – wie erklärst Du sie praktisch?

Inklusion bedeutet für mich eine garantierte Teilhabe für Menschen mit und ohne Behinderung auf allen Ebenen – sei es im Kindergarten, in der Schule, in der Freizeit oder auf dem Arbeitsmarkt: zusammen lachen, lernen und zweifeln, egal ob unter Menschen mit oder ohne Behinderung.

Welche Beispiele für Diskriminierung siehst Du?

Die größten Missstände sehe ich im Bereich Arbeitsmarkt und Schule. Es gibt zum Beispiel immer noch die Werkstätten für behinderte Menschen, in denen man statt Mindestlohn, den die Mehrheit in Deutschland erhalten darf, einen Hungerlohn von 1,35 Euro pro Stunde verdient – als sei die Arbeit von behinderten Menschen weniger wert. Immer noch gibt es viel mehr Förderschulen als inklusive Schulen. Es sollten aber alle Schülerinnen und Schüler, die eine Behinderung haben und auf eine inklusive Schule wollen, auch die Möglichkeit dazu haben – und es sollte ihnen gewährleistet werden, auf eine inklusive Schule zu gehen. Für eine Abschaffung von Förderschulen bin ich jedoch nicht, da dieses System für den Einen oder Anderen der richtige Weg ist. Die Wahlmöglichkeit sollte erhalten bleiben.

Die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Fähigkeiten nennt sich Ableismus (abgeleitet von dem englischen Wort „able“, deutsch „fähig“). Menschen mit Behinderung wird unterstellt, nicht an der Gesellschaft teilhaben zu können, während sie gerade durch dieses Fremdbild von der Teilhabe abgehalten werden. Was machst Du gegen solche Probleme?

Ich setze mich als Inkluencer online und vielleicht bald auch auf den Straßen gegen Ableismus ein und bringe das Thema Inklusion so auf die Agenda. Mit meinen Posts auf Instagram (@all_inklusiv) möchte ich Menschen mit den verschiedensten Behinderungen miteinander verknüpfen, ihnen eine Plattform geben und ihre Geschichte erzählen. Menschen ohne Behinderung möchte ich für das Thema gewinnen und sensibilisieren. Ich setze aber auch bewusst Nadelstiche, um unsere Rechte sichtbar zu machen!

Du arbeitest auf Instagram mit Bildern, politischen Texten, Reden und Aktionen wie beispielweise zum Gedenken an die Opfer von Morden in der Pflege. Ein Motor für die Gleichstellung scheint aber auch der Sport, etwa im Fall der Special Olympics.

Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, in seiner Freizeit Sport zu machen – und nicht aufgrund seiner/ihrer Behinderung ausgegrenzt werden! Inklusive Sportangebote dürfen also keine Einzelfälle mehr sein und sollten viel öfter angeboten werden. In Musberg gibt es zum Beispiel einen inklusiven Fußballverein, welchen ein Freund von mir gegründet hat. Die Mannschaft hat mittlerweile über 30 Spielerinnen und Spieler und besteht seit etwas mehr als drei Jahren. Dort akzeptieren sich alle gegenseitig und ich freue mich immer auf das Training. Am 16. Juli findet auf dem Gelände vom TSV Musberg ein Turnier statt. Ihr seid alle herzlich eingeladen, zu kommen!

Du willst noch öfter auf der Straße arbeiten. Wie soll Deine Demo aussehen?

Umso mehr Demonstranten, desto besser! Ich würde gerne noch mehr Menschen auf die Themen Inklusion und Ableismus aufmerksam machen. Wir sind ein sehr großer und starker Teil der Gesellschaft, der es leid ist, immer vom Rand zuschauen zu müssen. Auch Menschen mit Behinderung wollen gesehen und gehört werden! Und die Demonstration sollte auf jeden Fall ein Safe Space für alle marginalisierten Gruppen sein.

Dir geht es also auch um Intersektionalität, das Engagement für verschiedene diskriminierte Menschen. Wie können Lesende Dich unterstützen?

Folgt mir gerne auf meinem Instagram-Account @all_inklusiv und setzt Euch mit dem Thema Inklusion auseinander. Wir brauchen Allies (Verbündete), die sich mit uns solidarisieren.

Je mehr wir sind, desto lauter sind wir. Lasst uns zusammen einen inklusiven Aufbruch schaffen, lasst uns gemeinsam auf das Thema Inklusion aufmerksam machen! Seid Allies von Menschen mit Behinderungen, hört uns zu, teilt unsere Beiträge in den Sozialen Medien und redet mit Euren Freunden, Freundinnen und Familien über das Thema. Wenn Ihr hört, dass das Wort „behindert“ als Schimpfwort benutzt wird, dann klärt auf! Wir brauchen eine Gesellschaft, welche uns als einen Teil wahrnimmt und nicht als Randgruppe.

Dazu muss das Thema Ableismus viel mehr Aufmerksamkeit bekommen; es kann nicht sein, dass die Kritik an den „Ismen“ (wie zum Beispiel auch Rassismus oder Klassismus) noch nicht in den Köpfen angekommen ist. Es muss Awareness (situationsbezogenes
Bewusstsein) für Ableismus geschaffen werden!

Welche Botschaften gibst Du den Lesenden noch mit?

Wir werden laut, Ihr müsst uns hören! Wir sind nicht weniger wert aufgrund unserer Behinderung! Meine Behinderung ist ein Teil von mir – und auf diesen Teil bin ich unglaublich stolz! Diesen Stolz kann mir niemand absprechen! Wenn Ihr selbst eine Behinderung habt, schämt Euch nicht dafür, sondern probiert aus, Euch mit der Behinderung zu identifizieren. Let’s end ableism and fight for inclusion!

Was sind Deine Forderungen an die Politik?

Erstens: Dass sie endlich die UN-Behindertenrechtskonvention richtig und vollständig umsetzt, welche bereits 2009 ratifiziert wurde. Zweitens: Den Mindestlohn und das Arbeitnehmerverhältnis in den Behindertenwerkstätten einführen. Drittens: Die konsequente Umsetzung der Inklusion in der Schule.