Foto: Daniel Knaus
Obdachlose fürchten sich vor dem beißenden Frost im Winter. Deshalb verteilte Trott-war zu Weihnachten Kleidung und dankt allen Spenderinnen und Spendern für ihre Anteilnahme. Auf der Straße macht die praktische Hilfe manchmal den Unterschied zwischen Leben und Tod. Lesen Sie hier von einem anderen Heiligabend.
Von Daniel Knaus
Den jungen Hund hält er in seinen Armen wie ein Kleinkind: fest an der Brust, um ihn zu wärmen und vor den eilenden Stiefeln zu schützen, und doch auch vorsichtig, zärtlich. „Er ist mein Babyhund“, sagt der ältere Mann und flüstert beruhigende Worte in die felligen Ohren. Der Vierbeiner genießt die Fürsorge; er träumt mit halb geschlossenen Augen und schnauft behaglich. Eine schöne Szene, friedliche Weihnachten auf der Straße? Ja, doch die Armut ist lebensgefährlich! Wie andere Notleidende auch, wickelt Karl* zwar seinen Liebling dick ein, selbst zittert er aber in einer dünnen Jacke – ohne Mütze und Handschuhe. In seine neuen Sachen schlüpft er mit der Hast eines Erfrierenden. „Hauptsache warm; ich bin nicht wählerisch.“ Zum Abschied legt er die Hand aufs Herz, dann krault er wieder seinen Begleiter.
Hilfe geht auf der Straße schnell und unkompliziert
Wenig entfernt sammelt eine junge Frau Münzen. „Für Tee und die Toilette.“ Auch sie friert. Schlicht gefährlich: Zitternde nackte Haut im beißenden Wind, Gänsehaut und Schnupfen. Die schnelle Verbesserung: Zwei Pullover, eine Mütze und Handschuhe. Kira* jubelt, sie freut sich mehr als jede weihnachtliche Werbefigur. „Happy Christmas! Das ist mal eine schöne Geste!“ Durch die Pandemie verlor sie ihren Job in der Gastronomie. Einen der Pullis will sie auch zu Sozialterminen anziehen. „Gute Sachen kriegt man hier ja selten.“ Für Spendende eine kleine Gabe, ein großer Unterschied für die Notleidende – oder doch zu wenig, um ihr wirklich zu helfen? „Bisher ging der Winter ja noch. Ich lebe. Aber die älteren Obdachlosen warnen mich vor der nächsten Zeit. Die wird bitter!“
Wo die Armut groß ist, da ist es die Dankbarkeit auch
Auf den Straßen Stuttgarts herrscht Mangel. An einer Ecke drücken sich zwei Freunde aneinander und wärmen sich. Einige Decken zaubern Lächeln in ihre gestressten Gesichter. Ihr Zelt wurde zerstört, jetzt sind sie der Witterung ausgesetzt. „Was die Kälte erträglicher macht, das ist für uns Gold wert.“ Eine junge Frau hat zwar schon einen Schal, aber sie freut sich über einen aus Funktionsmaterial. „Der trocknet schneller. Nasser Stoff ist übel. Dann tut Dir der Hals weh wie von Glasscherben.“ Ein junges Paar zieht regendichte Jacken über. „Einfach trocken bleiben. Dieses Glück unterschätzt man, wenn man ein Dach gewohnt ist.“ Ihr Traum: „Wieder zusammen aus einem Fenster gucken – statt nur die Fenster hoch.“
* Zum Schutz der Notleidenden wurden alle Namen redaktionell geändert.
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