Ja, wo fang ich da an? Bekannt als dreckige abgefuckte Gegend mit nichts als Ausländern, welche obendrein noch kriminell sind. „Kanaken“, sagen sie; und rufen die Bullerei, wenn wir mal bisschen lauter werden am Wochenende. Ist doch nicht verboten, also wen juckt‘s!? Wenn die kommen, sagen die eh nur: „Seid leiser“, weil sie wissen, wie es läuft. Wer aus der Reihe tanzt, wird getadelt, ob „Bulle“ oder einer von den Jungs. Aber im Hallschlag aufzuwachsen, heißt nicht automatisch, man muss das machen, was die anderen so machen.
Von Momo
Man muss nicht kriminell werden und Drogen ticken oder Leute abziehen. Man muss nicht Paranoia schieben, erwischt zu werden. Das ist etwas, was viele sich aussuchen zu tun, weil es spaßig aussieht. Klar, high sein, mit Freunden abkacken, feiern gehen, in irgendeiner Gasse sich auf ‘ner Parkbank besaufen, danach lustig drauf sein – macht Spaß.
Irgendwo rumhocken, einen Joint bauen, am Automaten zocken und auf den nächsten Kunden warten, ist bei weitem entspannter als arbeiten zu gehen. Wieso sollten die faulen Jugendlichen es also nicht machen, fragt man sich. Nach dem Einstieg, der nicht lange auf sich warten lässt, hat man immerhin ein höheres Gehalt als manch ein Daimler-Angestellter. Hier ein Zwanni, da drei für Fuffi; einer holt einen Ball (25 Gramm), das sind schon 370 Euro, die in einer Stunde kommen können. Ich sage, es macht Spaß, weil es so ist.
Auf den „richtigen Weg“ …
Mit der Zeit erst wird einem klar, was man durch das Rumgammeln verliert, nämlich genau das: Zeit. Ich persönlich habe ein Jahr durch das Wiederholen verloren; und ein Jahr, weil ich dachte, Arbeiten lohnt sich mehr. Scheiß auf die Schule, doch so war es nicht. Ich habe falsch gedacht. Erst mit 21 ist mir klar geworden, was ich verloren habe, und nachdem ich auf den – ich nenne es mal „richtigen Weg“ – gekommen war, sind mal eben zwei Jahre flöten gegangen.
Mittlerweile studiere ich und habe eine Zukunft, denn verloren ist mein Leben noch nicht. Es hätte aber auch anders laufen können. Ich hätte jetzt fertig sein können mit dem Bachelor. Hätte mein Praxis und Auslandssemester hinter mir, hätte relevante Praktika für meine Karriere bereits absolviert und müsste das nicht alles jetzt machen. Doch will ich nicht sagen, dass ich es bereue, keineswegs. Wir haben so viel Kacke erlebt mit den Jungs; das hat mich auch irgendwie geformt, selbstbewusst gemacht und mich auch irgendwie für meine Zukunft vorbereitet. Naja irgendwo. Meine Wortgewandtheit habe ich von den ständigen Diskussionen über Dinge: „Wo ist das hin verschwunden? Wer war dabei? Wieso ist das passiert, was passiert ist?“ Auf solche Dinge werde ich in Zukunft öfter eingehen und Euch durch mein Leben im Loch mitzunehmen. Was ich erlebt habe, aber auch was ich gesehen habe, was andere erlebt haben.
Mit 44 auf dem Bau?
Ich bin kein Gangster oder OG oder so, nein, nur habe ich das Leben anders gelebt. Ich hatte eine schöne Zeit, nicht nur, dennoch war es prägend. Macht, Kontrolle, Schauspiel, alles Dinge, die man auf der Straße lernt, sie zu bekommen und zu wahren. Doch nach dem Flug kommt der Fall. Ob durch Drogen oder weil ein „größerer Fisch“ da ist oder ob man in Knast kommt, macht keinen Unterschied. Früher oder später fällt jeder auf die Fresse und kommt zur Besinnung. Mit 44 liegt man dann im Bett und muss um 4 Uhr früh aufstehen und auf den Bau gehen, weil man sein Wissen und die Mühe, die man reingesteckt hat in Ticara (Handel), um Kisten (Kilos) zu schieben, nicht für was Sinnvolles genutzt hat.
Es ist nicht so, als wären „die Kanaken“ faul oder so, nein, nur wollen arme Menschen eher schnelles Geld und mit einem Monat arbeiten und ein Monat kein Geld sehen, kommt kein schnelles Geld. Es muss täglich kommen. Meine Hochschule befindet sich im Hallschlag, somit bin ich doch noch nicht raus von hier. Mit dem „zur Besinnung kommen“ habe ich angefangen, meine Freunde weniger zu treffen und zu raffen, was eine Freundschaft eben nicht ausmacht. Oft liege ich abends da und lasse Geschehenes Revue passieren. Mir fallen Dinge auf, bei denen ich mir denke: Wie konnte ich mit so etwas befreundet sein? Der hat doch nur Scheiße gemacht, an dem Tag hätten wir sterben können!
Neue Normen, alte Normen
Manchmal höre ich auch alte Lieder und erinnere mich an bestimmte Momente zurück, die mir überhaupt nicht gefallen. Ich denke, das heißt PTBS. Ich komm damit klar, ich bin so aufgewachsen, dass selbst wenn mir etwas unangenehm ist, oder es mir nicht gut geht, es mir nicht anmerken zu lassen – sonst galt man als Pussy und auch wenn ich es heute besser weiß, denke ich es dennoch. Konservative Werte, vertreten durch Männer und Frauen, die Chayas aus der Hood, sind gängige Praxis, mit welchen jeder konform ist. Auch wenn ich heute nicht mehr in dem Film bin, halte ich doch an manchen Normen aus der Zeit und dem Leben fest. Auch heute noch sehe ich manchmal meine Freunde und wir quatschen über Themen. Als jemand, der als intelligenter angesehen wird durch den Bildungsgrad und das Wissen, welches man bereits vorher unter Beweis gestellt hat, erzählen die Leute einem immer noch von ihren Problemen und was sonst so abgeht. Diese Erzählungen enden nie, es kommen immer neue Stories dazu. Die Kopfficks hören nicht auf. Aber für das Geld tut man alles. Ich hoffe, dieser Einblick hat Euch gefallen.
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