Am 9. Juni ist in Stuttgart Gemeinderatswahl. In drei kurzen Antworten auf unsere Fragen zur Sozialpolitik hatten Parteien die Chance, ihre Positionen darzulegen. Hier lesen Sie zunächst von den Plänen der lokalen und kleineren Parteien.

Von Matthias Becher

 

Welche Position vertritt und welche Maßnahmen plant Ihre Partei/Ihr Bündnis in Bezug auf:

a) Die Förderung von bezahlbarem Wohnraum in der Stadt?

b) Die Verkehrswende?

c) Die geplante Abschaffung der Obdachlosigkeit bis 2030?

 

1. SÖS – Stuttgart Ökologisch Sozial

a) Wir wollen, dass die Stadt Grundstücke aufkauft, selbst Wohnungen baut und bestehende Wohnungen erhält und saniert. Die Stadt kauft systematisch städtebauliche Flächen wie das Eiermann-Areal und das Schöttle-Areal oder die EnBW-Flächen am Stöckach und Neckar auf. Neues Baurecht darf nur auf kommunalen Flächen geschaffen werden. Grundstücksvergabe an Dritte erfolgt nur noch bei überzeugenden Konzepten und in Erbpacht für gemeinnützige Genossenschaften und Syndikatsprojekte.

b) Neben einer autofreien Innenstadt soll grundsätzlich auf unseren Straßen Tempo 30 und Vorrang für Zu-Fuß-Gehende und Radfahrende gelten. Mit unserer Initiative www.busundbahnkostenlos.de wollen wir, dass alle Menschen in Stuttgart einfach einsteigen, ticketfrei und egal wo sie hinwollen. Durch solidarische Finanzierung in Form einer Unternehmensabgabe kann mehr Geld eingenommen werden als die Stuttgarter Straßenbahn AG (SSB) aktuell mit dem Ticketverkauf einnimmt.

c) Wohnen ist ein Menschenrecht. Alle Menschen haben das Recht auf eigenen Wohnraum (Housing First). Wir wollen die Spekulation mit Immobilien bremsen. Leerstand von Wohnungen und Büros muss bekämpft werden. Wir wollen mindestens ein Drittel des Gebäudebestands per Satzung vor ungerechtfertigter Mieterhöhung schützen. Die Stadt muss mit ausreichendem Personal gegen Mietpreisüberhöhung (Ordnungswidrigkeit) und Mietwucher (Straftat) und gegen Zweckentfremdung vorgehen.

 

2. Die Stadtisten

a) Die Wohnungsnot ist und bleibt eines der drängendsten Probleme Stuttgarts. Das betrifft sowohl die Verfügbarkeit von Wohnungen als auch ständig steigende Mietpreise. Ein dringliches Anliegen ist uns, jenen Menschen ein faires Wohnungsangebot machen zu können, die in der Stuttgarter Notfallkartei vermerkt sind. Die Politik der Stadt tut sich schwer damit, Abhilfe zu schaffen. Uns ist wichtig, dass wir als Stadt in den Besitz von Grundstücken und Gebäuden kommen, um den Bedarf an Wohnraum im Zeichen der Nachhaltigkeit zu decken. Deshalb wollen wir unser städtisches Wohnbauunternehmen (SWSG) weiter finanziell dabei unterstützen, mehr sozialen Wohnungsbau anzubieten. Wir setzen in erster Linie auf Nachverdichtung im Bestand, auf maßvollen Neubau inklusive neuer Wohnformen (generationenübergreifendes, barrierefreies und flächeneffizientes Wohnen), auf gemeinwohlorientiertes Wohnen, auf die Teilung bestehender Wohneinheiten, auf die Umwidmung von Leerständen zu Wohnraum.

b) Jahrzehntelang wurde Stuttgarts Stadtplanung aufs Auto ausgerichtet. Dies hat ein Ungleichgewicht bei der Verteilung der Flächen geschaffen. Aber Stuttgart verändert sich. Zusammen mit anderen haben wir im Gemeinderat bereits wichtige Weichen für eine nachhaltige Verkehrswende gestellt. Stuttgart wird zu einer freundlicheren Stadt für Menschen, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind — zu einer Stadt, die die Stuttgarter:innen dazu einlädt, sich gerne im öffentlichen Raum aufzuhalten und zu bewegen. Nicht zuletzt wollen wir, dass sich unsere Kleinsten sicher zu Kita und Schule aufmachen können. All diese Wege möchten wir mit unserem Blick auf gute Nachbarschaft weiter mitgestalten. Dazu gehört natürlich auch, dass Bus und Bahn attraktive Alternativen für jene darstellen, die nicht unbedingt aufs Auto angewiesen sind und sich deshalb einen Umstieg vorstellen können. Davon profitieren dann auch jene, die ihr Auto tatsächlich aus Gründen brauchen. Daran müssen wir kooperativ arbeiten, auch mit der Region. Dazu braucht es eine Verkehrsplanung, die die unterschiedlichen Bedürfnisse aller mitdenkt – von der Barrierefreiheit bis hin zur Beseitigung von Angsträumen und Verkehrsgefahren. Nicht zuletzt wünschen wir uns Stuttgart als Motor einer neuen Fortbewegung. Denn mit unseren Mobilitätskonzernen, Zulieferern, Hochschulen und Instituten haben wir alles, was es dazu braucht.

c) Stuttgart liegt statistisch im bundesweiten Vergleich der Großstädte beim Anteil der untergebrachten Wohnungslosen auf Platz zwei. Dennoch ist klar: Das Ziel, Obdachlosigkeit komplett einzudämmen, steht. Wir wollen unseren Teil dazu politisch beitragen.

 

3. Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI)

Auf wiederholte Rückfrage keine Auskunft.

 

4. PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ (Tierschutzpartei)

a) Bezahlbarer Wohnraum ist keine Utopie, es gibt einfach nur aktuell keine Mehrheiten. In Stuttgart stehen mehrere tausend Wohnungen einfach leer und das wollen wir angehen. Wir wollen das Ziel nicht durch Neubau-Projekte wie Rosenstein, die wissenschaftlich als Klimakiller gelten und den Menschen langfristig mehr schaden, erreichen, sondern durch Umstrukturierung. Mehr Wohnraum in öffentliche Hand, oder beispielsweise das Stöckach-Areal sowie das alte statistische Landesamt umbauen.

b) Unsere Vision für die Verkehrswende ist sozial gerecht, das heißt kostenlos. Wir setzen uns für den Nulltarif ein, um allen Menschen die Teilhabe am Leben zu ermöglichen, unabhängig vom Einkommen. Natürlich soll es ebenfalls massiven Ausbau im Schienennetz und bei Radwegen geben, Rad- und Fußsicherheit im Stadtverkehr muss gewährleistet werden. Das Auto bekommen wir so schnell nicht aus Stuttgart, weshalb wir den Individualverkehr reduzieren wollen und auf Angebote wie Carsharing bauen.

c) Wir wollen ein Miteinander gestalten, um der sozialen Gerechtigkeit näher zu kommen. Deshalb möchten wir mehr mit Obdachlosen und Ehrenämtlern ins Gespräch kommen und wissen, wie wir am besten helfen können! Foodsharing, betreute Amtsgänge, Rückbau defensiver Architektur, Nulltarif und bezahlbarer Wohnraum sind nur ein paar unserer Projekte. Von Betroffenen bekamen wir beispielsweise die Empfehlung von „Wohncontainern“ wie in Esslingen, die als konkrete Schnelllösung dienen können.

 

5. Ökologisch‐Demokratische Partei / Familie und Umwelt (ÖDP)

Auf wiederholte Rückfrage keine Auskunft.

 

6. Klimaliste Deutschland (KLIMALISTE)

a) Für die KLIMALISTE ist die Mietenentwicklung die Soziale Frage unserer Zeit. Zwischen 2010 und 2022 stiegen die Angebotsmieten von 8,76 Euro auf 14,68 Euro. Die fehlende Mietenregulierung zerreißt unsere Stadtgesellschaft und treibt Menschen in Armut. Die KLIMALISTE will dauerhaft 25 Prozent der Wohnungen gemeinwohlorientiert bewirtschaften, darunter 30.000 Wohnungen der SWSG. Schlüssel dazu ist die soziale Bodenordnung und die Vergabe von Bauland in Erbpacht nach sozial-ökologischer Konzeptqualität.

b) Stuttgart ist eine Autostadt. Arme Menschen, die häufig an Vorrangstraßen leben, leiden besonders unter Lärm, giftigen Abgasen und sommerlichen Hitzewellen. Die KLIMALISTE will umsteuern, Flächengerechtigkeit herstellen, sanfte Mobilität fördern und die echte Fahrradstadt verwirklichen. Das Bonuscard-Sozialticket für 24,50 Euro ist ein Erfolg unserer Ratsarbeit. Kinder und Jugendliche sollten den ÖPNV ticketfrei nutzen. Die Förderung für Lastenräder sowie den Kinderfahrradpool wollen wir ausbauen.

c) Das vom Europaparlament gefasste Ziel ist eine Absichtserklärung, doch ist die Umsetzung unklar. Als KLIMALISTE verfolgen wir das bewährte Prinzip „Housing First“. Auf unsere Initiative im Gemeinderat sollen in der Stadtentwicklung künftig gemeinschaftsbildende Wohntypologien entstehen wie das Cluster-Wohnen: Mikro-Wohnungen, die um Gemeinschaftsflächen herum angeordnet sind. So können neue Wohnformen wie Senior*innen-, Azubi-, Inklusions- oder eben Housing-First-Wohngemeinschaften entstehen.

 

7. Volt Deutschland (Volt)

a) Hohen Mieten und fehlendem Wohnraum wollen wir unter anderem mit nachhaltigem Neubau und Modernisierung, vielfältigen Wohnformen wie Generationenhäusern, Reduzierung der Wohnungsnachfrage durch eine bessere Anbindung des Umlandes sowie der Bekämpfung von Spekulation entgegentreten. Zudem wollen wir durch kommunale Bodenfonds und Erbbaurechte Einfluss auf die Flächennutzung in der Stadt nehmen. Damit senken wir Mieten, bekämpfen Wohnungsnot, soziale Trennung und erreichen eine nachhaltige Entwicklung Stuttgarts.

b) Durch weniger Autoverkehr zugunsten von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr kann die Stadt eine deutliche Verbesserung der Luftqualität, Lärmminderung und Steigerung der Lebensqualität für alle Einwohner bieten. Konkret setzt Volt auf mehr barrierefreie Haltestellen, kürzere Taktzeiten und den Ausbau des Netzes auch mit komplett neuen Verkehrsträgern. Stichwort: Seilbahn. Wir halten die Vernetzung unterschiedlicher Mobilitätsangebote für eine attraktive Lösung. Der Cityring soll autofrei sein und der Lieferverkehr wird durch Bündelung und Umstellung auf beispielsweise Lastenräder effizienter.

c) In Sachen Obdachlosigkeit geht es uns nicht allein darum, die Leute von der Straße wegzuholen, sondern darum, Leben zu verbessern, Mut zu machen und vor allem handfeste Chancen zu schaffen. Wir wollen durch die Umsetzung einer „Housing First“-Strategie schrittweise allen Obdachlosen eine Wohnung zuweisen, aus deren Sicherheit sie wieder auf die eigenen Beine finden können. Wir wollen Beratungs- und Hilfsangebote auf Augenhöhe ausweiten, Begegnungsorte schaffen und für ausreichend Notunterkünfte sowie Verpflegung sorgen. Dem allem steht unser oberstes Ziel, die Schaffung einer inklusiven und solidarischen Gesellschaft, vor.

 

8. Children‐First, Kinderrechte stärken

a) Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass folgende 4 Punkte bei uns im Fokus liegen:

KINDERRECHTE

KINDESWOHL

KINDERARMUT IN STUTTGART

DIREKTE DEMOKRATIE

Wir sind der Meinung, dass unsere Kinder und Jugendlichen mehr beziehungsweise besser im Gemeinderat vertreten werden müssen. Man kann dies auch als eine Lobby für diese Gruppe sehen. Armut, Mobilität, im speziellen Fall hier auch der Punkt Wohnraum und viele andere Themen beschäftigen nicht nur die Stuttgarter Bürger*innen, sondern sind auch relevant für unsere Kinder und Jugendlichen. In all diesen Punkten möchten wir unsere Zielgruppe bestmöglich vertreten und gleichzeitig alle Altersgruppen zielgerichtet mit einbeziehen. Bezahlbarer Wohnraum spielt für einen unserer Punkte (Kinderarmut) eine wichtige Rolle, und dies wollen wir auch stärker in den politischen Fokus bringen. Unter anderem sollten nach unserer Meinung folgende Punkte mit einbezogen werden:

– Investition in Wohnraum, vor allem sozialen Wohnraum; wieder mehr Wohnraum in kommunaler Hand wie am Beispiel Wiens;

– Arbeitsgruppe für leerstehenden Wohnraum;

– Abbau von Gesetzen/Bürokratie in Bezug auf den Wohnungsbau;

– Förderung generationsübergreifender Wohnprojekte.

b) Die Stadt Stuttgart hat mehrere Konzepte für eine nachhaltige Mobilität ausgearbeitet. Das Ziel: weniger Staus, eine bessere Luft und dadurch eine höhere Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger. Diesen Zielen schließen wir uns an und fördern die öffentlichen Verkehrsmittel stärker mit einzubeziehen. Beispiel: Tübingen bietet kostenlosen Nahverkehr am Wochenende. Ebenfalls sind wir der Meinung, dass die Stuttgarter und Stuttgarterinnen mehr bei diesem Entscheidungsprozess berücksichtigt werden müssen. Hierfür werden wir eine App mit einbeziehen, bei der die Bürger und Bürgerinnen von Stuttgart die Möglichkeit erhalten, ihre Stimme zu diesem und vielen anderen wichtigen Themen abgeben zu können.

c) Dies wird nicht gelingen. Das Projekt Housing First befürworten wir mit unserem Verein schon seit mehreren Jahren wie auch Trott-war. Ich habe auch das Buch von Andreas Strunk dazu gelesen. Um diesem Ziel eine Chance geben zu können, sind mehrere Faktoren beziehungsweise Maßnahmen notwendig. Ich beziehe mich auf einen wesentlichen Faktor, den Wohnraum. Gehen wir auf Stuttgart ein: In Stuttgart haben wir über 5.000 Menschen, die keinen festen Wohnsitz haben, rund 150 von ihnen sind dauerhaft obdachlos. Diese Zahl haben wir schon seit mehreren Jahren in Stuttgart und das Projekt Housing First in Stuttgart hat daran nichts geändert, wird daran in den nächsten Jahren auch nichts ändern. Das heißt nicht, dass wir dieses Projekt nicht befürworten, aber es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, und hier sollte man auch ehrlich kommunizieren. Dass bei dem Projekt Vonovia einbezogen wird, sehen wir ebenfalls kritisch. Selbstverständlich sollte ein Unternehmen, das allein in Stuttgart rund 4.200 Wohneinheiten im Besitz hat, einbezogen werden; aber auch hier sollten wir ehrlich sein, dass Vonovia zu der Wohnraumproblematik beiträgt. Der Fall mit den Nebenkosten, Mieterhöhungen durch Renovierung und so weiter haben zu der Problematik mit beigetragen und zahlreiche Menschen auf die Straße gebracht.

 

9. Bündnis der Vielfalt Stuttgart (Vielfalt)

Auf wiederholte Rückfrage keine Auskunft.

 

10. Feministische Liste Stuttgart (FeLi)

Auf wiederholte Rückfrage keine Auskunft.

 

11. Stuttgarter Liste

Auf wiederholte Rückfrage keine Auskunft.