Foto: Nico Nissen
„Ich denke häufiger an sie“
Interview mit einem ehemals Süchtigen zum Drogentotengedenktag
Stephan Fleischhauer war jahrelang drogensüchtig. Seit 2013 arbeitet er in der Trott-war-Pfandinitiative „Spende Dein Pfand“. Gestern interviewte Nico Nissen ihn über seine Gedanken zum Drogentotengedenktag.
Morgen ist Drogentotengedenktag. Wusstest Du davon?
Ja. Mir ist entfallen, dass das morgen ist, aber ich weiß, der ist irgendwann in diesem Monat.
Hat der Tag für Dich eine bestimmte Bedeutung?
Eigentlich ja. Man wird halt nochmal daran erinnert, dass es im Bekannten- und Freundeskreis Leute gibt, die wegen Drogen nicht mehr leben.
Sind sie alle unmittelbar an den Drogen gestorben oder zum Beispiel auch durch Unfälle im Rausch?
Beides. „Goldener Schuss“ hat man früher ja gesagt.
Wie viele Freunde und Bekannte hast Du verloren?
Da kommen schon fünf, sechs zusammen. Darunter ein enger Freund, vielleicht der beste Freund, der in der Nachbarschaft lebte und mit dem ich aufgewachsen bin. Der ist an einer Überdosis gestorben. Er war einer der ersten in meinem Bekanntenkreis, der gestorben ist, und wo ich auch richtig geschockt war.
Denkt man dann auch über seinen eigenen Konsum nach?
Ja, natürlich irgendwie. Ob es Sinn macht, ob es einem auch irgendwann passiert. Ich habe ihn ja gut gekannt, und wenn man mich vorher gefragt hätte, hätte ich gesagt: „Dem passiert das nie! Der ist vorsichtig, der ist schlau, der ist intelligent!“
Gedenkst Du ihm und den anderen irgendwie?
Ich denke häufiger an sie, nicht nur am Drogentotengedenktag.
Du selbst würdest den Gedenktag also nicht gebrauchen?
Nein. Ich denke auch so an sie. Aber eigentlich ist es gut, dass es den gibt.
Wie ist denn mit den Fällen in Deinem damaligen Freundeskreis umgegangen worden und hat es sich heute gebessert?
Ich glaube nicht, dass sich so viel verändert hat. Mein Freund war damals 23 oder 24 Jahre, das war 93 oder so. Damals wurde das fast geheim gehalten. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Die Familie zog um und beerdigte ihn am neuen Wohnort, wo man nichts über ihn wusste. Und drogensüchtigen Freunden wie mir wurde gesagt, wir sollten nicht zur Beerdigung kommen.
Meinst Du, das wäre heute noch so?
Ja, ich denke schon. Die nahen Verwandten schämen sich doch ein bisschen und haben Angst, dass zur Beerdigung Leute kommen, die nicht nüchtern sind.
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