„Das gehört sich nicht, das ist komisch!“

Ein Flamingo leuchtete über den diesjährigen Stuttgarter CSD – genauer: Flirty Flamingo! Mit seiner positiven Ausstrahlung ziert er nun das Cover unserer aktuellen Ausgabe. Doch sein fröhliches Kostüm hat ganz handfeste politische Gründe …

Von Daniel Knaus

 

Was willst Du als Flirty Flamingo erreichen?

Wenn ich auf einen CSD gehe, auf meine Tour der Vielfalt, oder auch auf eine Veranstaltung gegen Rechtsextremismus, dann will ich Leuten ein Vorbild sein. Du willst Dir die Haare pink färben, Du willst als Mann eine Perlenkette tragen, weil es bald Mode wird? Dann tu es doch! Schau mich an! Dieser Flirty Flamingo ist hundertmal verrückter als Du es bist. So will ich den Leuten Kraft geben und die Einsicht: Auch der Flirty Flamingo schafft es durch diese Welt; dann wirst Du es erst recht schaffen!

 

Wie entstand Deine Kunstfigur?

Es gab in Gießen mal eine Partyreihe, die Flamingo Flirt, zu deren Maskottchen ich wurde, indem ein Kumpel mir eine Partybrille mit Flamingo dran schenkte. Aus der Flamingo Flirt wurde der Flirty Flamingo. Übrigens hatte diese Partyreihe den Flamingo im Namen, weil es unter diesen Vögeln viele schwule gibt, die auch verwaiste Babys aufziehen! So bot sich der Flamingo als ein Symbol der queeren Community an. Tiere zeigen uns, dass es nicht unnatürlich oder schlecht ist, schwul zu sein. Wie soll Homosexualität unnatürlich sein, wenn es sie im Tierreich gibt?

 

Was bedeuten Dir die CSDs?

Die haben die Aufgabe, queeren Menschen eine Heimat zu schaffen – besonders in ländlichen, katholischen Gegenden. Und dafür ist Werbung ganz wichtig!  Wenn man auf dem Land lebt und anders ist, denkt man, ein Einzelfall zu sein; und hat auch keine safe spaces. Dann kann ein CSD ein Zeichen setzen und auch Neues entstehen lassen: Stammtische, Jugendtreffs, alle möglichen Angebote für queere Menschen. Niemals aber sollte ein CSD schlecht beworben werden und zu klein ausfallen! Dann fühlen sich die Teilnehmenden doch alleine – man muss es dagegen schaffen, dass sich die Menschen empowert fühlen von so einem Tag. Einmal standen wir in Fulda vor dem Dom. Die Regenbogenfahne dort zeigen zu dürfen, hat den lokalen queeren Menschen ein gutes Gefühl gegeben: ein bisschen Platz zu haben, wo sie sonst denken, nicht willkommen zu sein. Es ist ja nicht ganz Deutschland wie Köln oder eine Studentenstadt.

 

Wie empfindest Du Diskriminierung?

Ich bin mit meiner ganzen Art anders, nicht nur mit meiner Sexualität – im Auftreten und Aussehen, in der Stimme, also vom Klischee her schwul. Schlimm, dass alles so klischeemäßig beurteilt wird! Das bedeutet für mich in der Gesellschaft Einschränkungen, zum Beispiel, wenn ich mir vorher Gedanken machen muss: Was darf ich anziehen? Was kann einen Angriffspunkt darstellen? Was nimmt mir die Gesellschaft übel, weil es nicht ihren Normen entspricht? Kann ich mich trauen, mit Regenbogensachen auf die Straße zu gehen? Schlimm sind auch Vorurteile und Sätze wie: „Wir haben mitbekommen, Du bist schwul! Ja, dann ist klar, dass Du nicht grillen kannst. Dann ist ja verständlich, dass Du handwerklich nicht begabt bist.“ Auch schlimm: „Du bist schwul und kannst das ja trotzdem!“ – zum Beispiel, wenn ich es geschafft habe, einen Nagel in die Wand zu schlagen. Oder positiv: „Du kannst mit einer Schere gut umgehen – weil Du schwul bist!“ Talente und Fähigkeiten haben aber nicht ihre Ursache im Schwulsein.

 

Als Flirty Flamingo wendest Du Dich gegen Diskriminierung vor allem mit dem Mittel der Kleidung.

Rote oder pinke Turnschuhe habe ich schon in meiner Jugend gerne getragen, aber es mich nicht getraut, weil ich eingeschränkt war durch meine Umwelt, durch meine Peer-Group. Weil die Leute gesagt haben: Das gehört sich nicht, das ist komisch. Ich bin dann aber schon als Teenager in die Damenabteilungen gegangen und habe dort nach den roten Schuhen gesucht, weil es die für Männer noch nicht oft gab. Ein anderes Beispiel: Ich war mit mit meinem Bruder in der JU (Jungen Union), wo Hemd getragen wurde. Trug man es nicht, kam das schlecht an. Wenn man sich aber täglich so viele Gedanken machen muss, wie man sich anzieht, wie man sich gibt, welchen Gestus man hat, dann strengt das sehr an – wenn man versucht, heterolike zu wirken! Es ist schlimm, dafür Zeit und Energie verwenden zu müssen, statt seine wahren Stärken aufblühen zu lassen …