Das gehört sich nicht, das ist komisch!

Flirty Flamingo engagiert sich für queere Rechte und leuchtete auch durch den letztjährigen Stuttgarter CSD. Mit seiner positiven Ausstrahlung zierte er das Cover unserer  Oktober-Ausgabe 2022. Doch sein fröhliches Kostüm hat ganz handfeste politische Gründe lest hier den zweiten Teil unseres Interviews mit ihm …

Von Daniel Knaus

 

Wie fandest Du den Mut zu Deiner Kunstfigur? 

Ich bin erst freier geworden, als ich Leute kennen gelernt habe, die mich nahmen wie ich bin: mit meinem Aussehen, mit meiner Sexualität, mit meiner Art. Da bin ich aufgeblüht, erstarkt; und kann nun durch meinen sozialen Halt auch anderen Leuten Mut machen. Ich weiß selber, wie es sich anfühlt, unfrei zu sein und durch die erfahrene Ablehnung eingeschränkt – und wie wichtig also alle Formen von sozialer Akzeptanz, Anerkennung und Unterstützung sind. Mir selbst hat auch mein Vater ganz viel Stärke mit auf den Weg gegeben, indem er mir einmal sagte: Es ist egal, wie verrückt man ist – denn wenn er verrückte Menschen hassen würde, dann müsste er auch über Nina Hagen schimpfen … 

 

Was wünschst Du Dir von den vermeintlich „normalen“ Leuten? 

Ich sage immer: Lebe den Flirty-Flamingo-Beat! Lass Dein Herz für Vielfalt schlagen! Wenn wir alle offen für Vielfalt sind, eine Willkommenskultur für queere Menschen in allen Kreisen der Gesellschaft vermitteln, dann kann ein gutes Miteinander gelingen. Dann kann auch der Regenbogen mit all seinen Farben und Facetten strahlen! Wir sollten Menschen mit schlechten Erfahrungen eine Atmosphäre bereiten, in der sie sich wohlfühlen – dann können sie sich mit ihren Fähigkeiten einbringen und die ganze Gesellschaft profitiert. Beispielsweise bin ich Leitung des Sozialen Dienstes in einem Seniorenzentrum und manchmal kommt mir noch entgegen: „Was, Pädagogik, eine solche Arbeit ist doch mehr für Frauen!“ Durch solche Worte hätte ich mich derart eingeschränkt fühlen können, dass ich den Job gar nicht gewählt hätte. Das wäre schade gewesen, weil das ein Job ist, für den ich Fähigkeiten und Talente habe. 

 

Du selbst hast Dich auch in konservativen Bereichen engagiert. 

In der katholischen Kirche habe ich sehr offene Teile kennen gelernt und andererseits auch Kreise, in welchen ich mich nicht geöffnet hätte. Ich selbst bin in sehr konservativen Kreisen aufgewachsen, was mir viel mitgegeben hat, wo ich aber immer schauen musste: Wie bunt, wie queer kann ich mich präsentieren? Andererseits fehlt es der Gesellschaft an Kommunikation und manchmal weiß man dann nicht, dass manche Gruppen offener geworden sind und man ihnen nur unterstellt, sie seien noch gegen queeres Leben.  

 

Wie fühlst Du Dich als Katholik? 

Die Institution Kirche schafft es nicht, eine Willkommenskultur für queere Menschen zu etablieren, besonders nicht die Kirche in Rom – auch trotz Botschaften wie #loveisnosin. Deshalb ist es wichtig, kleine Zeichen zu setzen, etwa durch einen CSD. Ich selbst bin gläubig, habe nebenfachlich katholische Theologie studiert und glaube auch an die Wandlung im katholischen Sinne; aber gleichzeitig kann ich der katholischen Kirche vorwerfen, dass ihre Auslegung der Bibel (für mich) nicht immer richtig ist. In meinen Augen ist die Bibel nicht queerfeindlich. Die katholische Kirche stellt sie nur so dar. Meine Beziehung zu Gott ist katholisch geprägt – die Institution Kirche hat aber nicht das Recht, den Glauben ganz anders vorzuschreiben, als ich die Bibel verstehe. 

 

Was forderst Du von der Politik? 

Die Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung sollte vollständig als Asylgrund anerkannt werden. Das Transsexuellengesetz muss endlich abgeschafft werden – gleiche Rechte für alle! Sportliche Großereignisse sollten nicht an Länder wie Katar vergeben werden, die andersartige Menschen verfolgen. Das Thema Blutspende muss neu betrachtet werden; Homosexuelle können daran bisher nur eingeschränkt teilnehmen. Allgemein wünsche ich mir eine Reform des Grundgesetzes – Stichwort „Grundgesetz für alle“ – mit einem starken Schutz aller sexuellen Identitäten. 

 

Was ist Dir noch wichtig? 

Oftmals outen sich queere Menschen erst später (schlimm genug, dass man sich heute überhaupt noch outen muss). Diese Leute haben sich ihre ganze Pubertät lang versteckt, die Zeit, um sich auszuprobieren. Dann müssen sie ihre neue Rolle oder ihre offene Sexualität als Erwachsene erstmal finden und damit umgehen lernen. Dazu muss die Gesellschaft ihnen Zeit geben!